Benefits Realization Management (1)

Benefits Realization Management ist ein weiteres Beispiel für Begrifflichkeiten, die den Anspruch erheben, DER Ausdruck für eine gewinnbringende neue Management-Methode zu sein. Die mit dem Begriff beschriebenen Denk- und Sichtweisen allerdings sollten so selbstverständlich sein, dass es dafür keines weiteren „feststehenden“ Managementsbegriffs bedarf. BRM beschreibt ein Konzept, welches den Erfolg eines Projekts nicht alleine daran misst, ob es im Budget und im Zeitplan abgewickelt wurde. Vielmehr wird das Projekt unter dem Aspekt beurteilt, inwieweit es die Unternehmensstrategie fördert bzw. dieser folgt.

Bei genauerer Betrachtung: Differenzierungsbedarf

Mit dem Project Management Institute (PMI®) hat sich ab ca. 2016 auch eine der prominentesten Gesellschaften aus dem Feld Projektmanagement mit BRM beschäftigt und Studien dazu durchgeführt, die eine Korrelation zwischen den BRM-Fähigkeiten von Organisationen und deren Erfolg in Projekten untersucht haben. Die Hypothese „Erfolgreichere Unternehmen führen (mehr) Projekte durch, die ihre Strategie fördern (und nicht nur im Zeit- und Budgetrahmen bleiben).“ klingt zunächst nachvollziehbar.

Aus unserem ersten, ganz subjektiven Eindruck muss bei der Beschäftigung mit dem Thema zunächst eine Differenzierung getroffen werden, die es ermöglicht, den sehr weitläufigen Projektbegriff für unsere Zielgruppe – Unternehmen aus Industrie, Infrastruktur, Bauwesen sowie Maschinen- und Anlagenbau – etwas einzugrenzen. Gerade für Diskussionen wie BRM sind Umsatzprojekte (Projekte für externe Kunden gegen Rechnung) und Projekte für interne Kunden (wir nennen sie im weiteren Change Projekte) deutlich zu unterscheiden.

Umsatzprojekte umfassen die Lieferung und Leistung von spezialisierten Produkten und Dienstleistungen für Kunden außerhalb unserer Organisation. Sie tragen damit direkt zum Unternehmensumsatz, und im besten Fall zum Unternehmensgewinn bei. Ihre Einordung in die Unternehmensstrategie leitet sich sehr direkt aus dem Geschäftsplan oder Business Plan des Unternehmens ab: Dort ist eine Umsatzplanung in einem Zielmarkt hinterlegt, und die externen Projekte passen zu dieser Planung – oder eben nicht.

Change Projekte sind Projekte zur Veränderung des Unternehmens, um ein strategisches, unternehmerisches Ziel zu erreichen. Sie dienen somit Zielen wie beispielsweise Kostensenkungsprogrammen, Produktivitätserhöhungen, Investitions- und Instandhaltungsplänen oder dem Ressourcenaufbau.

Unser zweiter Eindruck: So ganz trivial, wie der BRM-Gedanke gern erscheint, ist der Projektalltag nicht. Zwei Beispiele aus unseren Projektanalysen:

  1. Ein Umsatzprojekt

Natürlich förderte dieses Projekt auf den ersten Blick die Unternehmensstrategie: es generierte Umsatz, und in der Nachkalkulation auch etwas Gewinn. Es wurde zum vertraglich vereinbarten Liefertermin übergeben, die Spezifikation war erfüllt, es gab nur wenige Restpunkte aus den Kunden-Abnahmen. Ein Erfolg?

Die Analyse zeigte aber auch, dass die Budgets deutlich und der intern gesetzte Zeitrahmen knapp überschritten wurden, zahlreiche Risiken eingetreten waren und sich weitaus mehr Kapazitäten der Organisation mit diesem Projekt beschäftigt hatten (bzw. beschäftigen mussten), als ursprünglich geplant. So wurden plötzlich Aufgaben in Abteilungen eingelastet, die für diesen Auftrag zunächst gar nicht vorgesehen waren. Zwei Projektleiter-Wechsel hatten Unruhe gebracht, ohne die Vorteile eines „strategischen Spielerwechsels“ zu generieren.

In diesem speziellen Fall hatten wir am Ende der Analyse die Frage auf der Zunge: Was haben Sie in diesem Zeitraum liegengelassen, um dieses Projekt zu unterstützen? Selbstverständlich ist diese Frage kaum in Stunden oder Euros quantifizierbar. Es blieb aber bei allen Beteiligten der Nachgeschmack, das Projekt zwar auf dem Papier erfolgreich abgeschlossen, der Unternehmensstrategie aber einen Bärendienst erwiesen zu haben: Die internen, kleinen Projekte zur Weiterentwicklung, für die man oft die besten Köpfe in der Organisation benötigt, waren wieder einmal auf der Strecke geblieben. Es wurde viel Management-Attention gebunden. Projekte für externe Kunden retten oder die Organisation weiterentwickeln – nur wenige Unternehmen schaffen beides parallel.

Benefits Realization Management in industriellen Umsatzprojekten ist aus unserer Erfahrung oft die Frage nach den Opportunitätskosten eines solchen Projekts. Im nächsten Teil des Beitrags beleuchten wir den BRM-Gedanken in einem Change Projekt.

Hier geht's zum zweiten Teil: BRM in einem Change-Projekt

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