Abkürzung Werkvertrag? (2)

Das übliche Einsatzgebiet von Time&Material-Verträgen (Abkürzung Werkvertrag Teil 1) sind Produkte, welche iterativ entwickelt werden können. Der Kunde kann somit während der Projektlaufzeit Priorisierungen vornehmen, welche Teilprodukte zuerst fertigestellt werden sollen. Diese „agile“ Projektentwicklung bietet die Möglichkeit, Definitions- und Umsetzungsphase teilweise zu parallelisieren. Doch wie sieht es aus bei nicht-iterativen Industrieprojekten, bei denen erst das fertige Gesamtprodukt einen Kundennutzen entfaltet – und das nur für genau diesen einen Kunden?

Die Wahrheit vorweg: Definitions- und Umsetzungsphase zu parallelisieren, also mit unklarer technischer Leistungsbeschreibung in die Abwicklung zu starten, wird auch in einem Time&Material-Vertrag Zeit und Kosten immens in die Höhe treiben. Das Vertragsverhältnis kann den Unterschied zwischen iterativen und nicht-iterativen Produktentwicklungen nicht heilen.

Bei genauerer Betrachtung bietet ein Time&Material-Vertrag sowohl Vor- als auch Nachteile:

Der Auftragnehmer ist nicht an einen Festpreis gebunden, vermindert dafür im Gegenzug seine Risikopuffer in Zeit und Geld und bietet Einzelpreise an, gewährt somit also auch deutlich mehr Transparenz in seine Preisgestaltung. Große Gewinnmargen lassen sich so zwar nur selten realisieren. Aber sind wir ehrlich: diese sind oft nur erzielbar, wenn der Auftraggeber auch termingerecht mitarbeiten würde. Rechtzeitige Entscheidungen, auch bei Problemen, termingerechte Beistellungen. Oft sind diese Punkte ein für den Auftragnehmer kaum kalkulierbares Risiko, und genau dieses Risiko bekommt in Time&Material Verträgen einen für alle Parteien transparenten Preis.

Der Auftraggeber seinerseits „verliert“ zwar den Anspruch, die Lieferungen zum Preis X am Tag Y zu erhalten – aber wäre dieser Anspruch auch wirklich durchsetzbar gewesen, und wenn ja, zu welchen Kosten? Der beste Werkvertrag wird wenig nützen, wenn ein Auftragnehmer komplett ausfällt. Und der daraus entstehende Schaden ist für den Auftraggeber in der Regel höher als vertragliche Haftungssummen, teilweise sogar höher als der komplette Firmenwert des Auftragnehmers. In komplexen Projekten sind Werkverträge oft ein Trade-off zwischen „wahrgenommener Budgetsicherheit“ einerseits und hohen Gemeinkosten für das Vertrags- und Claimmanagement andererseits. Zu beachten: diese Gemeinkosten für das Management komplexer Werkverträge sind beim Auftraggeber oft fixe Kosten, sie sind bereits ausgegeben. Diese Fragestellungen sind Teil unseres Leistungspakets Project Survey.

Last but not least erhält der Auftraggeber durch den viel genaueren Einblick in die Preistreiber und Lead Times des Auftragnehmers wertvolle Informationen. Insbesondere letztere bieten dabei oft Potentiale und Ansätze für zukünftige Kalkulationen, um die eigene Projektdauer einzukürzen.

Die potenziell

  • geringeren Gemeinkosten beim Auftraggeber
  • flexibleren Möglichkeiten der Einflußnahme auf den Scope
  • transparentere Preis- und Zeitgestaltung
  • höhere Motivation aller Beteiligten, ihre Aufgaben zeitnah zu erledigen

sollte zumindest eine Überlegung wert sein.

Hier geht's weiter zu Teil 3.

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